16. September 2020

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

Wartezeit für Mindestversorgung: Teilzeitbeschäftigung zählt voll!

Mit Urteil vom 22. Juni 2020 hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof entschieden (BayVGH, Az. 3 BV 18.1447), dass Zeiten einer Teilzeitbeschäftigung nicht nur anteilig, sondern voll auf die fünfjährige Wartezeit anzurechnen sind, die zu absolvieren ist, bevor erstmalig ein Ruhegehaltsanspruch entstehen kann. Die Entscheidung ist zwischenzeitlich rechtskräftig geworden. Das Bayerische Staatsministerium der Finanzen und für Heimat hat daher die personalverwaltenden Stellen entsprechend informiert. Für die Erfüllung der Wartezeit kommt es künftig nicht mehr auf den Umfang der Teilzeitbeschäftigung an.

Wartezeit gemäß Art. 11 Abs. 1 BayBeamtVG
Gemäß Art. 11 Abs. 1 Nr. 1 BayBeamtVG (bzw. § 32 BeamtStG) wird ein Ruhegehalt nur gewährt, soweit eine Dienstzeit von mindestens fünf Jahren abgeleistet wurde. Satz 2 der Vorschrift sieht vor, dass dabei nur Zeiten angerechnet werden, die auch ruhegehaltfähig sind. Insoweit sieht Art. 24 Abs. 1 Satz 1 BayBeamtVG vor, dass Zeiten einer Teilzeitbeschäftigung nur zu dem Teil ruhegehaltfähig sind, der dem Verhältnis der ermäßigten zur regelmäßigen Arbeitszeit entspricht. Der BayVGH hat nun festgestellt, dass die zeitanteilige Berücksichtigung nicht mit § 4 Nr. 1 des Anhangs der Richtlinie 97/81/EG des Rates vom 15. Dezember 1997 vereinbar ist.

Europarechtskonforme Auslegung erforderlich!
Im Wege der europarechtskonformen Auslegung der Vorschriften gelangt das Urteil zu dem Ergebnis, dass sich die Regelung des Art. 24 BayBeamtVG allein auf die Höhe des Ruhegehalts beziehe, während im Rahmen des Art. 11 Abs. 1 BayBeamtVG auf die Ruhegehaltfähigkeit dem Grunde nach abzustellen sei. Diese Auslegung sei auch europarechtlich so geboten. Anderenfalls würden Teilzeitbeschäftigte ungerechtfertigt schlechter behandelt als Vollzeitbeschäftigte. Ihnen würde das Ruhegehalt nicht nur entsprechend des Zeitanteils ihrer Teilzeitbeschäftigung gekürzt, sondern vollständig versagt. Teilzeitbeschäftigte würden damit nicht nur in quantitativer, sondern in qualitativer Hinsicht im Vergleich zu Vollzeitbeschäftigten benachteiligt.

 

Pressemitteilung des Bayerischen Beamtenbundes (PDF)

VGH München, Urteil v. 22.06.2020 – 3 BV 18.1447 (externer Link)